Luftdichtheitssnorm 4108-7: Wer sie beachtet, vermeidet Bauschäden (Fachartikel)

0 0
Immer mehr öffentliche Gebäude werden mittlerweile in Passivhausstandard gebaut. Hier ein Kindergarten in Südhessen, Kreis Bergstraße. © Energieberatung Acker

Ungemütlichkeit, Energieverlust und Schäden: Alles vermeidbar, wenn’s richtig dicht ist

Wer die Luftdichtheitssnorm 4108-7 beachtet, kann einigen Bauschäden vorbeugen und die Behaglichkeit im Haus steigern

Jeder, der sich mit energieeffienzten Häusern beschäftigt, weiß: Damit das Konzept und die Konstruktion mit all seinen Vorteilen funktioniert, muss die Gebäudehülle dicht sein. Bauherren haben seit langem Anspruch auf luftdichtes Bauen; es ist inzwischen nach EnEV auch Pflicht. Dennoch wird luftdichtes planen und Bauen als notwendiges Übel betrachtet. Wer sich jedoch mit der Luftdichtungsnorm DIN 1408-7 näher beschäftigt, lernt einiges über die rechtzeitige Vermeidung von Schäden.

Achtung Mythosauflösung: Luftdichtheit ist nicht am Schimmel schuld

Die Erfahrungen, die mit Hilfe von Blowerdoor-Messungen gemacht werden, fließen in die Überarbeitung der Normen ein. Hier: Blower-Door-Schlussmessung eines Mehrfamilienhauses. ©airtight-junkies.de

Luftdichtheit wird im Volksmund oft mit Schimmel gleichgesetzt: „Seitdem wir neue Fenster eingebaut haben, schimmelt’s in der Wohnung“. Die Wahrheit ist: Vorher gab es sehr hohe Wärmeverluste durch Undichtigkeiten und damit Abtransport der warmen, feuchten Luft, so dass der Schimmel keine Chance hatte. All das ist im Passivhaus nahezu undenkbar, da durch den geringen Wärmedurchlass der Bauteile die Oberflächentemperaturen normalerweise zur Vermeidung von Schimmelerscheinungen ausreichend hoch sind.

Luftdichtheitsnorm: DIN 4108-7

Wer sich in Deutschland mit der Luftdichtheit der Gebäudehülle auseinandersetzt, landet irgendwann bei der DIN 4108-7:2011-01 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden –Teil 7: Luftdichtheit von Gebäuden. Laut Untertitel definiert die Norm Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie -beispiele. Die neueste Ausgabe ist mittlerweile seit fast acht Jahren am Start und nahm 2011 einige Punkte auf, die zuvor durch Blowerdoor-Messungen aufgefallen waren, zum Beispiel, dass bei bestimmten Mauersteinen luftdichte Einbaudosen für die Elektroinstallation zu verwenden sind und damit verputztes Mauerwerk wegen der hohlen Steine nicht einfach mehr als luftdicht angenommen werden kann.

Beim Anschluss der Dampfbremsbahn an den Giebel ist die Dehnschlaufe wegen den Bauteilbewegung besonders wichtig. Hierauf wird in der DIN 4108-7 hingewiesen. Konstruktionsdetails für Planung und Ausführung findet man auch auf wissenwiki.de ©Wissenwiki.de

Luft- und Winddichtung (Außendichtung)

Im Vorfeld jeder Baumaßnahme muss im Luftdichtheitskonzept die genaue Führung der luftdichten Ebene definiert werden. Hierzu bietet die DIN 4108-7 Konstruktionsvorschläge. Konstruktionsempfehlungen fasst das Wissenwiki zusammen: http://www.wissenwiki.de/Konstruktion ©Wissenwiki.de

Die Norm definiert vor allem zwei Begriffe, die in diesem Zusammenhang selbst von fachkundigen Zeitgenossen immer wieder falsch angewandt werden: Luftdichtung  und Winddichtung. Die Luftdichtheitsschicht ist laut Norm meist raumseitig angeordnet und dient der Vermeidung von Wärmeverlusten und Kondensat infolge Konvektion. Die Winddichtheitsschicht soll vor allem das Einströmen von Außenluft in die Konstruktion erschweren und ist somit meist außenseitig der Wärmedämmung verlegt. Es werden sowohl luftdichte und -undichte Materialien definiert, als auch Prinzipiendarstellungen für den Verlauf der luftdichten Ebene gezeigt. Des Weiteren finden sich Beispiele für Anschlüsse und Durchdringungen von typischen Bausituationen. Die Kenntnis und Beherzigung der DIN 4108-7 führt in der Regel zu guten Ergebnissen beim Blowerdoor-Test, hier sind Planer, Handwerker und Bauleiter gleichermaßen angesprochen.

Der Wandel der Rolle der Luftdichtung

Über Luftdichtung wird bereits seit den 60-er Jahren des vergange

Die Messnorm DIN EN 13829 regelt eindeutig, was bei der Blower-Door-Messung temporär abgedichtet werden darf. Die Wahl der Mittel bleibt dabei freigestellt. Hier im Bild: die Abdichtung des WC-Abfluss. ©airtight-junkies.de

nen Jahrhunderts geredet. Die Wärmeschutzverordnung forderte dann 1977, die Fugen in der wärmeübertragenden Umfassungsfläche dauerhaft und entsprechend dem Stand der Technik luftundurchlässig abzudichten. Seit 1998 gibt es verbindliche Grenzwerte für Neubauten. Bezogen auf das Raumvolumen darf bei natürlicher Lüftung ein n50-Wert von 3 nicht überschritten werden, bei einer Lüftungsanlage sind es 1,5. Der bessere Wert ist hier der korrekten Funktion der Lüftungsanlage geschuldet, vor allem bei Wärmerückgewinnung. Mit Überarbeitung der DIN 4108-7 im Jahre 2011 wurde dann sogar ein Wert bei natürlicher Lüftung von 3,0 festgelegt, um Streitigkeiten zu beenden, ob 3,49 immer noch 3 ist, wie es in der alten Norm stand. Wird bei natürlicher Belüftung über Fenster ein n50-Wert von 3,0 überschritten, ist das Haus in manchen Wintersituationen bei heutiger Berechnung des Wärmeerzeugers schlichtweg nicht beheizbar. Früher orientierte man sich übrigens bei der Dimensionierung des Heizkessels nicht etwa an der energetischen Bilanzierung des Gebäudes, sondern am Platz, der im Heizraum zur Verfügung stand („Nimm den größeren, dann bist Du sicher“).

Alle genannten Grenzwerte sind bei entsprechender Planung und Bauausführung problemlos einzuhalten. Früher scheiterte es manchmal noch an den Fenstern, was heutzutage eher selten vorkommt. Anders gesagt: Wenn ein Haus 3,0 Luftwechsel oder mehr hat, sollten die Baubeteiligten vielleicht gemeinsam einige Seminare besuchen und damit meine ich nicht nur die Handwerker.

Bei der Blowerdoor-Messung bezieht sich der Wert in Deutschland auf 50 Pascal, umgangssprachlich sind das ca. 5 Kilo pro Quadratmeter. Wichtiger ist allerdings, dass dabei Windstärke 5 simuliert wird, die Verhältnisse also durchaus realitätsnah sind.

Alles Quatsch, sagt die Passivhaus-Community

Bei Passivhäusern darf der n50-Wert nicht höher als 0,6  sein, damit es laut energetischer Berechnung funktioniert. Gerne natürlich auch geringer, das reduziert den Energieverbrauch mitunter drastisch und wird bei manchen Passivhäusern von Anfang an auch einberechnet. Der Zielwert ist dann eben nicht 0,6 pro Stunde, sondern der vom Planer vorgegebene Wert. Bei Überschreitung kann es auch beim Passivhaus dazu führen, dass bei länger anhaltenden Kälteperioden die Behaglichkeit deutlich nachlässt bzw. der Energiebedarf steigt.

Achtung bei Auswahl von Material für die Luftdichtheit

Haltbarkeit von Materialien : Langlebigkeit der luftdichten Hülle

Auch über die Haltbarkeit der Materialien für die Luftdichtung gibt es viele Gerüchte. Setzen wir voraus,

Im Bauvorhaben des Autors seit 2001 fehlerfrei im Einsatz: Klebeband zum Abdichten von OSB-Platten. Der Hersteller hat eine Auswahl seiner Klebebänder bei einem Hochschul-Forschungsprojekt testen lassen. Hierbei wurden die Klebebänder einer künstlichen Alterung unterzogen. Ergebnis: 100 Jahre Klebekraft. ©airtight-junkies.de

dass sowohl geeignete, als auch aufeinander abgestimmte Bauprodukte verwendet und nach Herstellervorschrift und Norm verarbeitet wurden, weist nichts auf ein vorzeitiges Versagen der Materialien und Klebeverbindungen hin. Sehen wir einmal davon ab, dass stellenweise Paket- und Kreppbänder zur Herstellung der luftdichten Ebene verwendet wurden oder auf verstaubte, nasse oder schmutzige Oberflächen geklebt wurde. Auch das Verlegen der Bahnen und Klebebänder unter Spannung ist sehr beliebt. Daraus entstehende Schäden sind nicht etwa Materialermüdungen, sondern krasse Verarbeitungsfehler. Ein Blick in die Norm oder in die Verarbeitungshinweise der Hersteller hätte für erhellende Erkenntnisse gesorgt.

Der Grund für die Dauerhaftigkeit der luftdichten Ebene liegt darin, dass sie normalerweise raumseitig der Dämmschicht angeordnet ist und sie über den Jahresverlauf gesehen weder großen Wärme- noch Feuchteunterschieden ausgesetzt ist. Anders sieht es bei der winddichten Ebene aus, die beim Dach meist unter den Ziegeln verläuft, wo im Winter -25° und im Sommer +90° Celsius keine Seltenheit ist. Hier sind die Klebemittel ganz anderen Belastungen ausgesetzt. Der größte Feind der Folien ist übrigens UV-Belastung. Davon hat es auch unter einer Ziegeldeckung eine ganze Menge, wie Erfahrungen mit den Gitterfolien der 80-er und 90-er Jahre zeigen, die nach wenigen Jahren an manchen Stellen nur noch aus Gitter bestanden. Vorsicht ist geboten bei noch nicht ausgebauten Dachgeschossen, in denen die Dampfbremsfolie bereits montiert ist, aber die Bekleidung noch fehlt. Typische Aussage des Bauherrn: Das machen wir im Winter! Er sagt aber nicht dazu in welchem. Hier müssen zumindest die Fenster verschattet und somit die Materialien vor UV-Belastung geschützt werden.

Überprüfung der Luftdichtheit: Planungs- und Verabeiterfehler aufdecken

Um die Anforderungen der Energieeinsparverordnung zu erfüllen, findet der Blowerdoor-Test im fertigen Zustand statt. So

Wenn die Gipskartonbeklankung bereits montiert ist, fällt das Nachbessern deutlich schwerer. Hier auf dem Foto: Der Anemometer zeigt Strömungen an den Deckeneinbaustrahlern. ©airtight-junkies.de

steht es auch in der derzeit noch gültigen Messnorm DIN EN 13829. Gerade bei den hohen Anforderungen der Passivhäuser empfiehlt sich aber eine baubegleitende Qualitätskontrolle nach Fertigstellung der luftdichten Ebene. Zum einen kann man dabei feststellen, ob das Erreichen des angestrebten Wertes realistisch erscheint, zum anderen können eventuelle Fehlstellen einfacher nachgebessert werden.

In den vergangenen Jahren kam es in Mode, kurz vor Ablauf der Gewährleistung den bei Fertigstellung gemessenen Wert erneut mit einer Blowerdoor-Messung zu überprüfen und das Gebäude auf eventuell hinzugekommene Leckagen zu untersuchen. Bei den von uns überprüften Passivhäusern waren keine systematischen Verschlechterungen zu erkennen.

Sollte sich bei einem Passivhaus die Luftdichtheit nach geraumer Zeit verschlechtert haben, ist es den Bewohnern entweder durch höhere Verbräuche oder sinkende Behaglichkeit aufgefallen (vgl. Passivhaus-Kompendium 2018 S.49). Messen sollte man vor allem dann, wenn sich entweder spürbar etwas verändert oder in bestimmten Bereichen Zugerscheinungen wahrzunehmen sind.

Ausblick: Neue EnEV mit ISO 9972

Je nach Einbausituation im Gebäude kann Blower „Door“ auch mal Blower „Window“ sein. ©airtight-junkies.de

Mit der nächsten Überarbeitung der Energieeinsparverordnung wird höchstwahrscheinlich auch die Messnorm geändert. Grundsätzlich wird sich mit der neuen DIN EN ISO 9972 nicht viel ändern. Allerdings wird im Moment der nationale Anhang dieser internationalen Norm erarbeitet, der womöglich einzelne Regelungen anpasst.

Normative Vorgaben können mit richtiger Planung problemlos erfüllt werden

Luftdichtheit der Gebäudehülle ist ein ganzheitlicher Prozess, der bei der Planung mit einem Luftdichtheitskonzept beginnt, von kompetenten Handwerkern ausgeführt und von einer erfahrenen Bauleitung überwacht wird. Dazu vielleicht noch ein Blowerdoor-Test von einem Messteam, das etwas von Leckagesuche versteht.

Bei einem Vortrag vor etlichen Jahren antwortete einmal der Referent auf die Frage, was denn ein guter Wert beim Blowerdoor-Test sei, mit 1 bis 1,5 sei man schon ganz gut dabei. Da ging der Inhaber einer Zimmerei dazwischen und erwiderte: „Tut mir Leid, meine Leute können nicht so schlecht arbeiten“.

Dieser Artikel stammt von Holger Merkel

Holger Merkel ist Blower-Door-Messdienstleister, Fachkraft für Differenzdruckmesstechnik (HwK) und Dozent. Mit seinem Team führt er mehr als 400 Messungen im Jahr durch. Er supportet auch andere Messteams mit seinem Wissen. Sein Know-How gibt er in Vorträgen, Seminaren und Blower-Door-Ausbildungen weiter. Neu ist das deutschlandweite 2-Tages-Kompaktseminar, das er mit der TÜV Rheinland Akademie konzipiert hat. Bei airtight-junkies.de berichtet er u.a. über Blower-Door-Tests, Leckagen und aktuelle Anforderungen.

Links und Quellen

DIN 4108-7 :2011-01:Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 7: Luftdichtheit von Gebäuden – Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie -beispiele, DIN Deutsches Institut für Normung e. V. , Januar 2011.

DIN EN 13829: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden. Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden. Differenzdruckverfahren (ISO 9972:1996, modifiziert); Deutsche Fassung EN 13829:2000,  DIN Deutsches Institut für Normung e.V., www.bauregeln.de, Februar 2001.

Bewertung von Fehlstellen in Luftdichtheitsebenen – Handlungsempfehlung für Baupraktiker
Forschungsinitiative Zukunft Bau, Band F 3012
Klaus Vogel, Silke Sous, Matthias Zöller, Gunnar Grün, Victor Norrefeldt
Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e.V. -FLiB-, Berlin
Aachener Institut für Bauschadensforschung und Angewandte Bauphysik gGmbH -AIBau-
Fraunhofer-Institut für Bauphysik -IBP-, Holzkirchen 2017. Fraunhofer IRB Verlag. Kostenloser Download: https://flib.de/publikationen/forschungsbericht/FLiB_Forschungsbericht_2016.pdf

„Wann ist eine Leckage gefährlich? Leckagenbeurteilung bei Blower-Door-Messungen“, pro clima TV, 06.10.2015

„Ergebnisse des Forschungsprojekts Leckagen“, theCH Blower-Door-Tagung, 18.09.2017

„Die schlimmsten Mythen zum Passivhaus – Interview mit Passivhausplaner Roland Matzig“ pro clima TV, 12.08.2015

Dauerhaft luftdicht mit pro clima: 100 Jahre Klebekraft bestätigt – pro clima TESCON VANA, UNI TAPE und TESCON No.1 von unabhängigem Institut geprüft, pro clima Blog, 3.02.2016


Dieser Fachartikel ist zuerst im Passivhaus Kompendium erschienen. Die lektorierte Version mit vielen anderen spannenden Themen findet ihr auf https://shop.verlagsprojekte.de/Passivhaus-Kompendium/ Hier könnt ihr auch weitere Ausgaben bestellen.  Neuigkeiten zu Passivhäusern und em Passivhaus Kompendium erfahrt ihr u.a. auf der Webseite des Passivhaus Kompendiums: https://www.verlagsprojekte.de/passivhaus-news/news-archiv-passivhaus-kompendium.html, auf Facebook https://www.facebook.com/Passivhaus.Komp/ und Twitter https://twitter.com/PassivhausKomp

Habt ihr Fragen zum Artikel? Dann kommentiert ihn unten oder schreibt an hm@bionic3.de Falls Ihr Support für eine Messung benötigt, dann zögert nicht das bionic3-Team zu kontaktieren: Obermühlstraße 7 776756 Bellheim, info@bionic3.de, 0171/706 1344 (Holger Merkel)